Mittwoch, 23 August 2017

A sweeter Groove, Luka Bloom live in Berlin

“An diesem Tag habe ich etwas gelernt. Ihre Philosophie des Radfahrens war richtig, und meine war falsch. Nimm dir immer Zeit, um die Brombeeren zu probieren.” Die Geschichte hinter Luka Blooms Blackberry Time ist nur eine von vielen kleinen Einsichten über das Leben, die der Sänger an diesem Abend großzügig mit seinen Zuhörern im Columbia-Theater teilt. Seine Anekdoten haben eine Moral, doch die präsentiert er so trocken und pointiert, dass er nie ins Moralisieren gerät.

Blackberry Time beschwört eine flüchtigen Begegnung mit einer Frau, die auf einer Radtour nicht etwa bloß ans Ziel kommen wollte, sondern sich Zeit nahm für die kleinen Dinge am Wegesrand nahm. Es ist eine berührende und zutiefst persönliche Erinnerung, doch Luka Bloom wird die nächsten zwei Stunden zeigen, dass seine Songs auch vor Geschichte, Politik und Gesellschaft keinen Halt machen. Er besingt die Hungersnot, die unzählige Iren in die Emigration trieb. Er beleuchtet den Fall des inhaftierten indianischen Aktivisten Leonard Peltier. Und er setzt in Frúgalisto, dem titelgebenden Song seines neuen Albums und seiner aktuellen Tour, all jenen ein Denkmal, die gegen den allgegenwärtigen Konsumzwang Gemüse anbauen. Bloom findet Worte und Harmonien für alles, was ihm wichtig ist.

Ein Mann, seine Gitarre und Geschichten. Mehr braucht Luka Bloom nicht, um das Publikum den Abend über in seinen Bann zu ziehen. Freude und Nachdenklichkeit verpackt in musikalisches Können und Unterhaltungskunst ziehen sich durch das gesamte Set, das der Künstler ohne Pause präsentiert. In eine musikalisch aktive Familie hineingeboren, schrieb Bloom viele seiner “old man”-Songs in sehr jungen Jahren. In diese Kategorie fällt Wave Up To The Shore, eine eindringliche Ballade über den Kreislauf von Leben und Tod. 44 Jahre habe er gebraucht, um “die Stimme für dieses Lied zu finden”, aber das Ergebnis rechtfertigt die lange Reifezeit allemal. Der 16 Jahre alte Bloom schrieb den Song, der 60-jährige Mann nahm ihn endlich auf – und der macht im Übrigen kein Geheimnis daraus, wie viele Vorteile er im Älterwerden sieht.

Luka Bloom hat sie hinter sich gelassen, die Versuche, zu imponieren und tough zu sein. Heute begrüßt er Verletzlichkeit, ein Wort, das er von seinem Publikum in Stuttgart auf Deutsch gelernt hat, als Katalysator für Kreativität – “dann fängt man an, die Dinge richtig zu tun.” Warrior ist ein eindrucksvoller Appell zu diesem Thema: “Wenn du ein Krieger sein willst, solltest du besser lernen, zu weinen.” Zweifellos hat Bloom den “sweeter groove” gefunden, den der Song allen verspricht, die weniger auf Coolness und mehr auf Ehrlichkeit setzen.

Auch außerhalb seiner Songs trägt er das Herz auf der Zunge. “Ich hasse Workshops. Da muss man morgens um neun in einem Zelt sein und über Songwriting reden,” gesteht der Musiker. Ein Workshop beim dänischen Tønder-Festival, bei dem auch Arlo Guthrie sprach, sei es allerdings wert gewesen, den Wecker zu stellen. Guthries Zusammenfassung zum Thema Songwriting enthält Luka Bloom seinem Publikum nicht vor: “Das ist wie beim Angeln. Du wirfst die Angelschnur aus, holst sie langsam ein und hoffst, dass ein dicker Fisch am Haken hängt. Und du darfst nie flussabwärts von Bob Dylan fischen, denn der fängt die Besten, und er schmeisst niemals einen zurück ins Wasser.”

Luka Blooms Publikum zählt zu der Sorte, die die Arbeit eines Künstlers über lange Zeit verfolgt und im Zweifelsfall textsicher ist. Während er seinen Zuhörern vor allem eine erlesene Auswahl der besten Songs von Frúgalisto kredenzt, ist ihm klar, dass sie sich nicht ohne ein paar seiner Klassiker zufriedengeben werden. Songs wie The City of Chicago und You Couldn’t Have Come At A Better Time werden gleich bei den ersten paar Akkorden erkannt und begrüßt wie alte Freunde. Als am Ende des Abends alle begeistert mitsingen, wird das, was Bloom beim Schreiben und Spielen antreibt, greifbare Wirklichkeit: “Ich will niemanden mehr beeindrucken. Ich will aus meinem Herzen zu euren singen.”

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Franziska ist weder Irin noch Berlinerin, hat es aber irgendwie geschafft, sich in beiden kulturellen Sphären häuslich einzurichten. Wie beide dann mehr und mehr verschmolzen und schließlich zum Start von Irish Culture Events führten, ist eine sehr lange Geschichte, in der die meisten irischen Pubs der Hauptstadt, irische Fiddle-Musik und der St. Patrick’s Day 2016 vorkommen. Als Autorin, Interviewerin und Kritikerin trifft Franziska Künstler, blogt über irische Events und berichtet über Liveauftritte. Ihre Stärke: Der Backstage-Blick auf das irische Leben Berlins!