Luka – Irish Culture Events Berlin http://www.ice-berlin.com/de ICE Berlin Thu, 17 Aug 2017 13:05:59 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.8.1 A sweeter Groove, Luka Bloom live in Berlin http://www.ice-berlin.com/de/deutsch-a-sweeter-groove-luka-bloom-live-in-berlin/ Mon, 31 Oct 2016 16:07:14 +0000 http://ice-berlin.com/new_site/?p=502 “An diesem Tag habe ich etwas gelernt. Ihre Philosophie des Radfahrens war richtig, und meine war falsch. Nimm dir immer Zeit, um die Brombeeren zu probieren.” Die Geschichte hinter Luka Blooms Blackberry Time ist nur eine von vielen kleinen Einsichten über das Leben, die der Sänger an diesem Abend großzügig mit seinen Zuhörern im Columbia-Theater teilt. Seine Anekdoten haben eine Moral, doch die präsentiert er so trocken und pointiert, dass er nie ins Moralisieren gerät.

Blackberry Time beschwört eine flüchtigen Begegnung mit einer Frau, die auf einer Radtour nicht etwa bloß ans Ziel kommen wollte, sondern sich Zeit nahm für die kleinen Dinge am Wegesrand nahm. Es ist eine berührende und zutiefst persönliche Erinnerung, doch Luka Bloom wird die nächsten zwei Stunden zeigen, dass seine Songs auch vor Geschichte, Politik und Gesellschaft keinen Halt machen. Er besingt die Hungersnot, die unzählige Iren in die Emigration trieb. Er beleuchtet den Fall des inhaftierten indianischen Aktivisten Leonard Peltier. Und er setzt in Frúgalisto, dem titelgebenden Song seines neuen Albums und seiner aktuellen Tour, all jenen ein Denkmal, die gegen den allgegenwärtigen Konsumzwang Gemüse anbauen. Bloom findet Worte und Harmonien für alles, was ihm wichtig ist.

Ein Mann, seine Gitarre und Geschichten. Mehr braucht Luka Bloom nicht, um das Publikum den Abend über in seinen Bann zu ziehen. Freude und Nachdenklichkeit verpackt in musikalisches Können und Unterhaltungskunst ziehen sich durch das gesamte Set, das der Künstler ohne Pause präsentiert. In eine musikalisch aktive Familie hineingeboren, schrieb Bloom viele seiner “old man”-Songs in sehr jungen Jahren. In diese Kategorie fällt Wave Up To The Shore, eine eindringliche Ballade über den Kreislauf von Leben und Tod. 44 Jahre habe er gebraucht, um “die Stimme für dieses Lied zu finden”, aber das Ergebnis rechtfertigt die lange Reifezeit allemal. Der 16 Jahre alte Bloom schrieb den Song, der 60-jährige Mann nahm ihn endlich auf – und der macht im Übrigen kein Geheimnis daraus, wie viele Vorteile er im Älterwerden sieht.

Luka Bloom hat sie hinter sich gelassen, die Versuche, zu imponieren und tough zu sein. Heute begrüßt er Verletzlichkeit, ein Wort, das er von seinem Publikum in Stuttgart auf Deutsch gelernt hat, als Katalysator für Kreativität – “dann fängt man an, die Dinge richtig zu tun.” Warrior ist ein eindrucksvoller Appell zu diesem Thema: “Wenn du ein Krieger sein willst, solltest du besser lernen, zu weinen.” Zweifellos hat Bloom den “sweeter groove” gefunden, den der Song allen verspricht, die weniger auf Coolness und mehr auf Ehrlichkeit setzen.

Auch außerhalb seiner Songs trägt er das Herz auf der Zunge. “Ich hasse Workshops. Da muss man morgens um neun in einem Zelt sein und über Songwriting reden,” gesteht der Musiker. Ein Workshop beim dänischen Tønder-Festival, bei dem auch Arlo Guthrie sprach, sei es allerdings wert gewesen, den Wecker zu stellen. Guthries Zusammenfassung zum Thema Songwriting enthält Luka Bloom seinem Publikum nicht vor: “Das ist wie beim Angeln. Du wirfst die Angelschnur aus, holst sie langsam ein und hoffst, dass ein dicker Fisch am Haken hängt. Und du darfst nie flussabwärts von Bob Dylan fischen, denn der fängt die Besten, und er schmeisst niemals einen zurück ins Wasser.”

Luka Blooms Publikum zählt zu der Sorte, die die Arbeit eines Künstlers über lange Zeit verfolgt und im Zweifelsfall textsicher ist. Während er seinen Zuhörern vor allem eine erlesene Auswahl der besten Songs von Frúgalisto kredenzt, ist ihm klar, dass sie sich nicht ohne ein paar seiner Klassiker zufriedengeben werden. Songs wie The City of Chicago und You Couldn’t Have Come At A Better Time werden gleich bei den ersten paar Akkorden erkannt und begrüßt wie alte Freunde. Als am Ende des Abends alle begeistert mitsingen, wird das, was Bloom beim Schreiben und Spielen antreibt, greifbare Wirklichkeit: “Ich will niemanden mehr beeindrucken. Ich will aus meinem Herzen zu euren singen.”

]]>
Der hölle ist eine komfortzone http://www.ice-berlin.com/de/hell-is-a-comfort-zone/ Sat, 29 Oct 2016 16:56:27 +0000 http://ice-berlin.com/new_site/?p=514 Was ‚Wave‘ betrifft: ich habe tatsächlich alle meine älteren Songs schon sehr früh geschrieben. So etwa ab 35 fing ich dann allmählich an, damit aus dem Arsch zu kommen. Ein sehr schmerzhafter Prozess, aber am Ende eine Erleichterung…

(Q) Im Lauf Ihrer Karriere haben Sie eine beeindruckende Zahl von Studioalben vorgelegt. Im Zeitalter der digitalen Musikdistribution neigen Hörer verstärkt dazu, einzelne Tracks statt ganzer Alben zu konsumieren. Hat das Albums als stimmiges Ganzes damit bald ausgedient?

(A) Ob CD oder Vinyl, für mich sind Platten nach wie vor die erste Wahl, um meine Arbeit im Wortsinn greifbar zu machen. Ich glaube noch immer an die haptische Erfahrung, das gepresste Produkt in der Hand zu halten. Darin manifestiert sich ja auch auf ganz konkrete und taktile Weise ein Zeitraum, den ein Künstler oder eine Band damit zugebracht haben, dieses Werk vorzubereiten und schließlich umzusetzen. Daran wird sich für mich nichts ändern. Die Schwarzmaler, die den Tod des Albums beschwören, können mich mal.

(Q) Was hat Sie veranlasst, unabhängig zu werden, als Sie schon bei großen und einflussreichen Labels unter Vertrag standen? Was hat das für Ihre Musik und für Ihre Karriere bedeutet?

(A) Meine letzte Erfahrung mit einem Plattendeal fand im Jahr 1998 mit Sony und meinem damaligen Album Salty Heaven statt. Die haben mich für ein Jahr buchstäblich zerlegt. Ich war vollkommen am Boden zerstört über die kalte und berechnende Art, mit der sie mich fallen ließen. Es gab kein Gespräch, keine Erklärung. Sie haben sich sang- und klanglos verabschiedet, nachdem ganze zwei Jahre meines Lebens in dieses Album geflossen waren, in das ich so viel von mir gesteckt hatte. Aber sie haben mir damit einen Riesengefallen getan. Ich habe danach feierlich geschworen, unter keinen Umständen je wieder die Rechte an meiner Arbeit an eine Plattenfirma abzutreten. Die ganz großen in der Branche sind übel, sozusagen die Entsprechung von McDonald’s in der Musikwelt. Seit 1999 habe ich elf Alben auf meinem eigenen kleinen Label Big Sky herausgebracht und über www.lukabloom.com vertrieben. Ich liebe jede einzelne dieser Aufnahmen, und sie gehören mir.

(Q) Ihre Empfehlung an die Hörer von Frúgalisto lautet, “hört es euch einfach an und findet raus, was die Songs für euch bedeuten”. Für mich gehören ‚Lowlands Brothers‘ und ‚Australia‘ zu den eindringlichsten Tracks. Was bedeuten diese beiden Songs für Sie?

(A) Was ‚Lowlands Brothers‘ betrifft: der Onkel meiner Mutter, Joe Sheeran, starb im Ersten Weltkrieg. Ich wurde von einer Organisation, die sich dem Gedenken an den Ersten Weltkrieg in Flandern verschrieben hat, um Beiträge zu einer Konzertreihe im Jahr 2014 gebeten. ‚Lowlands Brothers‘ habe ich also für den Onkel meiner Mutter und für alle Iren, die auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges gefallen sind, geschrieben. Australien liebe ich einfach sehr. Abgesehen von Irland ist das der einzige Ort auf der Welt, den ich je vermisse. Ich fahre da seit 1992 hin, alle anderthalb Jahre oder so. Ich habe viele Freunde in Australien und fühle eine tiefe Verbundenheit mit dem Land.

(Q) A propos vermissen: Sie haben das Land Ihrer Geburt verlassen und zuerst in den Niederlanden, dann in den USA gelebt. Was bedeutet Heimat heute für Sie? Mit ‚Homeplace‘ haben Sie ja auch eine Sammlung von Schnappschüssen und Notizen über das Leben auf Tour veröffentlicht…

(A) ‘Heimat ist ein Ort in mir, ich nehme ihn mit. Ich treffe mein Volk, wo immer ich bin’. So heißt es in meinem Song ‚Tribe‘. Wenn du Sänger bist, triffst du deinen Stamm jeden Abend, an dem du singst. Mein Zuhause sind heute meine Songs. Ich liebe es, in Irland zu leben, aber Staatsangehörigkeiten sind ohne Bedeutung für mich. Wir hängen sowieso alle gemeinsam drin. Nationalität und Religion langweilen mich, genau so wie alles andere, was uns unsere gemeinsame Menschlichkeit vergessen lässt. Was übrig bleibt, wenn wir Religion und Nationalstaat mal außen vor lassen, sind wir. Und die Erde. Es gibt zu viel zu tun.

(Q) Sie haben so unterschiedliche Songs wie ABBA’s ‚Dancing Queen‘, Bob Marley’s ‚Natural Mystic‘ und LL Cool J’s ‚I Need Love‘ gecovert und dabei Stile von Pop und Rock über Reggae bis Hip Hop abgedeckt. Sehr viel gute Musik entsteht, weil Künstler der Idee “Genre” ein gesundes Maß an Respektlosigkeit entgegen bringen und Schubladendenken ablehnen…

(A) Das Etikett “Folksänger” ist für mich keine Beleidigung, aber ich möchte nicht darüber definiert oder darauf reduziert werden. Wenn das Orchester deiner Wahl eine sechssaitige Gitarre ist, ist es eine ziemliche Herausforderung, frisch zu bleiben. Ich stehe niemals still. Ich höre mir grundsätzlich keine Singer-Songwriter an. Meine Vorstellung von der Hölle ist eine Komfortzone. Ich höre mir völlig durchgeknalltes Zeug an, von dem sonst kein Mensch je gehört hat. So etwas aktiv aufzusuchen hält mich frisch, und es befeuert die Angst. Ich muss mich fürchten. Sonst ist mir langweilig.

(Q) Eine ganz schlichte Frage: welche Platte haben Sie als letztes gekauft? Können Sie sie empfehlen?

(A) Ich weiß es gar nicht mehr. Ich kaufe meistens ECM-Aufnahmen. Für mich das beste Label der Welt. Die Keith-Jarrett-Aufnahmen, Anouar Brahem, es gibt so viele Künstler, die ich ohne ECM gar nicht kennen würde. Ich LIEBE dieses Label. Es ist witzig, aber deswegen liebe ich auch Deutschland noch mehr, weil ich weiß, dass sehr viele von euch auch ECM-Aufnahmen kaufen. Ich kaufe Platten von Leuten, über die ich absolut nichts weiß. Ungefähr 50% davon kann ich nicht ausstehen, aber diejenigen die ich liebe, liebe ich für immer.

(Q) Mit ‚Section 31‘ haben Sie einen Song geschrieben, der in Irland verboten wurde. Was hatte es damit auf sich? Und, um auf einen ganz alten Disput zwischen Künstlern zu kommen: sind Songs eine politische Kunst? Sollten Sie das sein? Können Songs die Welt ändern?

(A) ‚Section 31‘ habe ich in den Siebzigern geschrieben, aus Protest gegen die bizarre Entscheidung der irischen Regierung, alle republikanischen Aktivisten aus dem nationalen Radio und Fernsehen zu verbannen. Stattdessen wurden Schauspieler eingesetzt, um deren Aussagen für Nachrichtensendungen wiederzugeben. Es war absurd, und es war ein bisschen faschistisch. Mein Bruder Christy, Gott segne ihn, hat den Song aufgenommen. Die einzige Verantwortung von Songwritern besteht darin, sich selbst treu zu bleiben. Es gibt nichts Schlimmeres als Künstler, die irgendetwas Politisches schreiben, weil sie sich dazu verpflichtet fühlen. Das ist in der Regel erstens durchschaubar und zweitens Müll. Wenn mir etwas wirklich unter die Haut geht, weil es einfach falsch und ungerecht ist, gebe ich mein Bestes, um darauf zu reagieren. Manchmal funktioniert das und manchmal nicht. Dass Songs die Macht haben die Welt zu verändern, glaube ich nicht, und ich empfinde das oft als sehr anmaßende, wichtigtuerische und aufgeblasene Vorstellung. Was Songs aber sehr wohl können ist, einzelnen Menschen das Leben zu retten. Vermutlich haben sie meins gerettet. Wenn ein Song, den ich schreibe, das Herz von jemandem berührt, dann ist das ein politischer Erfolg, der meine wildesten Träume übersteigt.

Luka Bloom: The Frúgalisto Tour. Sa, 29.10.16, 20:00 Uhr: Columbia Theater,
Columbiadamm 9-11, 10965 Berlin. Weitere Informationen zum Künstler unter www.lukabloom.com.

]]>